„Erzähl mir vom Frieden!“ lautet das Motto der Ökumenischen FriedensDekade vom 10.-20.11.2024.
Als Bibeltexte wurden Matthäus 26,47-53 und Genesis 32,23 ff. ausgewählt. Jesu Mahnung an Petrus, der ihn im Garten Gethsemane verteidigen will, „Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen!“ steht für die Gefahr von Gewalteskalationen und den Vorrang der Gewaltfreiheit in der christlichen Friedensethik. Jakobs Kampf am Jabbok erzählt von seinem Ringen um den inneren Frieden, der Voraussetzung ist für eine friedensstiftende Begegnung mit seinem Bruder Esau. Diese gelingt ohne physische Gewalt und ermöglicht ihnen, trotz ihrer Spannungen nebeneinander zu wohnen.
Von der Sehnsucht nach und dem Ringen um einen friedensstiftenden Umgang mit Spannungen erzählen auch die rund 50 Kirchen in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, die den Namen „Friedenskirche“ tragen (www.friedenskirchen.de). Sie zeugen vom Glauben an den Gott des Friedens und seine Verheißungen jeweils in einem ganz bestimmten historischen Erfahrungskontext von Krieg und Frieden.
Auch unsere Wackersdorfer Friedenskirche gehört dazu.
Einige von ihnen gehen bis ins 18. Jahrhundert zurück. So ließ Reichsgraf Christian Friedrich Carl (1729 – 97) seine Patronatskirche in Berndorf (heute Dekanatsbezirk Thurnau) aus Dank für die Verschonung seiner Grafschaft vor den Verwüstungen des Siebenjährigen Krieges (1756-63) erneuern und 1766 unter dem Namen „Friedenskirche“ wiedereinweihen.
Rund zwei Drittel der Friedenskirchen haben ihren Namen in den 1950er bis 1970er Jahren erhalten.
Die Überwindung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wird besonders greifbar in der Friedenskirche in Manching. Olaf Gulbransson errichtete sie 1957-58 unter Einbeziehung der Mauern eines ehemaligen Forts, in dem zahlreiche Deserteure und Kriegsgefangene erschossen worden waren.
Direkt am damaligen „Eisernen Vorhang“ stehen die in den 1950er Jahren erbauten Friedenskirchen in Wildenheid (DB Coburg) und Zedtwitz (DB Hof). In der Geschichte ihrer Namensgebung spiegelt sich am deutlichsten die Blockkonfrontation: Sie wurde 1955 im Rahmen eines US-amerikanischen Unterstützungsprogramms namens „Wooden Church Crusade“ als „spiritual wall against communism" errichtet.
Die Mehrzahl der Friedenskirchen, u.a. in Gaimersheim, Kitzingen, Bayreuth, Gräfelfing und Passau, wurde damals durch Vertriebene aus dem Sudentenland, Schlesien und anderen Ostgebieten geprägt. Vielen evangelischen Christen in den durch die Vertreibung gewachsenen und teilweise ganz neu entstandenen Gemeinden wurde in den langen Jahren der Nachkriegszeit zunehmend bewusst, dass ihre Sehnsucht nach dauerhaftem Frieden nur durch Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn erreicht werden konnte. Diese Einsicht formulierte die EKD in ihrer „Ostdenkschrift“ von 1965, die leidenschaftliche Diskussionen hervorrief, aber doch überwiegende innerkirchliche Zustimmung fand und einen wesentlichen Beitrag zur friedenspolitischen Ausrichtung der Ostpolitik der 1970er Jahre leistete. Die Beheimatung in ihrer neuen Kirchengemeinde half vielen, ihren inneren Frieden mit der schmerzlichen Erfahrung des Verlustes der Heimat ihrer Kindheit zu machen.
Die schlesische Heimatvertriebenen brachten eine besondere Friedenkirchen-Tradition mit, die ebenfalls mit der Erfahrung eines schmerzlichen Kompromisses verbunden war: Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde den Protestanten im rekatholisierten Schlesien lediglich der Bau von „Friedenskirchen“ in reiner Holzbauweise außerhalb der Stadtmauern erlaubt. Das Ergebnis war der Bau von drei prachtvollen Kirchengebäuden, von denen heute noch die in Jauer und Schweidnitz erhalten und als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt sind. Diese Tradition steht z.B. hinter der Namensgebung der Friedenskirche in Eggolsheim bei Forchheim.
Die Sehnsucht nach einem Leben frei von Krieg und Gewalt und der Dank, dass es in einer bestimmten historischen Periode weitgehend möglich war – diese konkreten Erfahrungen stehen hinter vielen Friedenskirchen der ELKB. Sie verbinden diese Erfahrungen mit der biblischen Friedensbotschaft, wie sie in Epheser 2,12 ihren Ausdruck findet: „Christus ist unser Friede.“ Durch ihre kreuzförmige Architektur macht die 1989 eingeweihte Friedenskirche in Eckenhaid (DB Erlangen) den Christusbezug besonders deutlich.
Der „Konziliare Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“, wie er bei der Ökumenischen Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen 1983 in Vancouver ausgerufen wurde, rückt das Verhältnis von Frieden und Gerechtigkeit neu ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Nur wo die Konsequenzen des eigenen Tuns für die Bedürfnisse anderer Menschen im Blick sind, kann nachhaltiger sozialer Friede erreicht werden. Diese Einsicht ist in Zeiten des wesentlich von Menschen verursachten Klimawandels, der ganz neue Konfliktpotentiale schafft, hochaktuell.
Für einige Reihe von Friedenskirchengemeinden, u.a. in Gaimersheim, war ihr Name mit ein Argument für die Grundsatzentscheidung, Menschen ins Kirchenasyl aufzunehmen. Die jüngste Friedenskirche der ELKB wurde 2013 in Stockstadt (DB Aschaffenburg) eingeweiht. Die drei Gründe, aus denen sich die Gemeindeversammlung für diesen Namen entschied, beschreiben in treffender Weise die verschiedenen christlichen Friedenserzählungen:
- "Friedenskirche", weil nach dem 2. Weltkrieg viele Menschen eine friedliche Heimat in Stockstadt fanden, um ein neues Leben aufzubauen.
- "Friedenskirche", weil die Nachfolge Jesu uns immer wieder dazu auffordert über unser Tun und Lassen nachzudenken und für Frieden in der Welt tätig zu sein.
- "Friedenskirche", weil der Friede Gottes uns trägt und hält in Zeiten des Zorns und der Freude.
Friedenskirchen bieten Friedensräume, in denen Friedensträume gefeiert und gelebt werden können. Unter diesem Motto hat die Evang. Jugend Bayern dieses Jahr den Jugendandachtspreis verliehen, den in drei Kategorien Andachten aus der Friedenskirche Hartmannshof ausgezeichnet wurden.(www.ejb.de/jugendandachtpreis).